- Grand Line, Offenes Meer
Der gestrige Tag belehrte alle Zweifler jedoch eines besseren. Was nach außen hin wie ein loses Ende wirkte, war in Wirklichkeit eine raffinierte Taktik, um den Gegner unvorbereitet zu treffen. Renegarde hatte es bereits häufig geschafft, sich Flotten zu entziehen, die zu seiner Ergreifung ausgesandt worden waren. Dieses Mal gab es für ihn jedoch kein Entkommen. Mit Admiral Kemsyt und Admiral Varoshi haben sich gleich zwei Admiräle mit aller Macht auf ihn konzentriert. Von einer freundschaftlichen Rivalität getrieben, ergänzen sich die jeweiligen Stärken der beiden Männer in einer Zusammenarbeit umso mehr. In einer ausgeklügelten Taktik schlugen sie beide zur selben Zeit zu. Der eine Zugriffspunkt war eine unbenannte, unbewohnte Ansammlung von zerklüfteten Felsen nördlich von Amazon Lily auf der Grandline gelegen. Dort hatte die Flotte des Piratenfürsten sich auf der Basis von natürlichen Höhlen einen großen Unterschlupf errichtet. Wie wir heute von einem Sprecher der Marine erfahren haben, hat keiner von Renegardes Leuten den Standort der Basis preisgegeben. Die beiden Admiräle hatten in Zusammenarbeit mit ein paar der fähigsten Analytiker der Marine sämtliche Audioprotokolle der Verhöre in Zusammenhang gebracht. Daraus konnten sie den wahrscheinlichsten Punkt bestimmen, der durch Späher dann bestätigt wurde. Die Piraten ahnten nichts von diesen Prozessen und wurden im wahrsten Sinne des Wortes von der 8. Division überrascht und ausgeräuchert. Admiral Varoshi setzte gezielt den Kapitän und die anwesenden Gefolgsleute außer Gefecht. Derweil rieb Admiral Kemsyt die restlichen zwei Schiffe der Flotte auf dem Meer auf, als diese zur Unterstützung zurückgerufen wurden. Auch für diese hatte man anhand der Sichtungen der letzten Monate ein Aufenthaltsgebiet bestimmt, welches für die mobilen Objekte jedoch nicht so genau festgelegt werden konnte. Die Effizienz und Unerbittlichkeit der 9. Division unter Kemsyts Befehl führte dazu, dass nicht ein einziger Pirat dem Zugriff auf die Schiffe entkam. Man kann dies nur als einen Sieg auf ganzer Linie für die Gerechtigkeit bezeichnen. Sowohl kämpferisch als auch taktisch. Laut Angaben der Marine konnte dieses gezielte Vorgehen auch die Verluste in den eigenen Reihen gering halten, trotz des starken Gegners, dem man sich gestellt habe.
Die Ereignisse sind eine eindrückliche Demonstration, welche Effektivität und Durchschlagskraft die zweithöchsten Ranginhaber der Marine aufzubringen vermögen. Insbesondere, wenn sie zusammenarbeiten.
Ihr Hauptsitz, das sogenannte Sanctum, wurde in der Nähe von Grove 52 errichtet. Dort sorgen die Aktivitäten der Glaubensgemeinschaft jedoch zunehmend für Unmut. Viele Anwohner beklagen sich über die ständige Präsenz der Prediger und Missionare. „Man hat sie auf den Straßen und vor den Haustüren langsam satt“, berichten mehrere Bewohner. Doch nicht nur das aufdringliche Auftreten der Jünger sorgt für Irritationen. Es werden auch Praktiken des Kultes kritisch hinterfragt. Immer wieder erreichen unsere Redaktion Augenzeugenberichte, wonach Mitglieder der Gemeinschaft Menschen den Seekönigen geopfert haben sollen.
Auf Nachfrage der Grandline Post wies Sebastian Torodäus, der spirituelle Führer der Jünger der Seekönige, diese Vorwürfe entschieden zurück: „Wir Jünger beten die Seekönige als wahre Herrscher dieser Welt an. Sie sind die Könige der See, und nur ihrer Gnade verdanken wir es, dass nicht jedes Schiff von ihnen verschlungen oder von den Unwettern der Grandline zerstört wird. Es ist unsere Aufgabe, diese wilden Götter um ihre Gunst zu bitten. Dabei opfern wir ihnen jedoch keinesfalls lebende Wesen – wir verwenden ausschließlich Fleisch von bereits geschlachteten Tieren. Menschliche Opfer kommen für uns nicht infrage.Sollten in diesen Gerüchten irgendwelche Wahrheiten stecken, handelt es sich um die Taten von Extremisten, von denen sich unsere Gemeinschaft geschlossen distanziert."
Doch ein Aussteiger aus dem Kult, der anonym bleiben möchte, zeichnet ein anderes Bild. Er berichtet von radikalen Splittergruppen innerhalb der Bewegung, die durchaus bereit seien, Menschen zu opfern. Ob dies bereits vorgekommen sei, kann er aber nicht bestätigen. Außerdem beschreibt er ein Bestattungsritual verstorbener Mitglieder: „Die Toten werden in einem Boot auf das Meer hinausgeschickt. An dem Boot sind vier Schwimmer aus Tierfleisch befestigt.Man hofft, so die Seekönige anzulocken, damit diese das Boot verschlingen und den Verstorbenen ins Paradies führen.“
Unsere Redaktion wandte sich auch an einen Sprecher der Weltregierung, um deren Einschätzung des Kultes zu erfahren. In einem knappen Statement erklärte ein Sprecher: Wie viele andere kleinere religiöse Gruppierungen dulde man auch die Jünger der Seekönige, solange sie der Weltregierung und somit den Himmelsdrachen loyal bleiben. Spezifische Beobachtungen dieser expliziten Gruppierung gebe es derzeit jedoch nicht.
Trotz der anhaltenden Kontroversen um ihre Praktiken scheint der Zulauf des Kultes ungebrochen. Aktuell soll die Gemeinschaft über 600 Mitglieder auf vier Inseln zählen und gerade eine neue Welle von Missionaren ausgesandt haben. Es ist also zu erwarten, dass man auch in Zukunft noch von den Jüngern der Seekönige hören wird.
Die Herkunft des Wrackteils ist bisher unklar. Es trug keine sichtbaren Markierungen, war stark beschädigt und wies Spuren eines Brandes auf. Überlebende oder Hinweise auf eine Besatzung wurden bislang nicht entdeckt. Experten äußerten erste Theorien. Einige halten es für möglich, dass das Wrack durch eine extreme Luftverwerfung – etwa einen Tornado – kilometerweit in die Höhe gerissen wurde, bevor es nun verzögert zur Erde zurückfiel. Andere verweisen auf das vermutete Wolkenmeer oberhalb der Grand Line; eine Strömung aus hochgelegenen Wasser- und Luftmassen, die Objekte tragen und bei Wechsel der Bedingungen wieder freigeben können. Wiederum andere vermuten eine experimentelle Konstruktion in Form eines Luftschiffes. Luftschiffe bleiben eine Seltenheit, gestaltet sich deren Entwicklung doch als aufwendig und deren Verwendung als riskant. Ob es sich bei dem abgestürzten Rumpfteil um ein bisher unbekanntes, möglicherweise privat entwickeltes oder aufgegebenes Modell handelt, bleibt allerdings ebenso Gegenstand von Spekulationen.
Eine offizielle Stellungnahme der Marine steht zum jetzigen Zeitpunkt noch aus. Mehrere unabhängige Crews haben begonnen, das Gebiet um den Einschlagsort zu kartieren. Auch die Grandline Post wird die weitere Entwicklung für Sie beobachten. Was bleibt, ist ein weiterer Beleg dafür, wie unberechenbar die Gewässer sind, auf denen wir segeln.
Mit dieser Meldung beginnt eine neue Beitragsreihe der Grandline Post: „Phänomene auf See“. In den kommenden Ausgaben widmen wir uns weiteren außergewöhnlichen Beobachtungen, die von Seeleuten, Forschenden und Entdeckern gemeldet wurden. Hinweise aus der Leserschaft nimmt die Redaktion jederzeit gern entgegen.
- Grandline, Kodomo
- North Blue, Graveyard / G19
Überbracht wurde dieser Kopf durch zwei Männer, deren Namen dem öffentlichen Leben nicht fremd sind: Malachite van Renesse, einst Vicomte der Insel Arktur, heute jedoch ohne Regierungsverantwortung, seit er durch eigene Verfügung ein Parlament einsetzte und so de facto auf seine Macht verzichtete. Verbindungen zur Insel seien nicht mehr gewünscht, ließ er verlautbaren, auch wenn er den Titel zu ehrenden Zwecken weiterträgt. An seiner Seite handelte sein jüngerer Bruder Niaying van Renesse, vormals Jagdmeister des Eilands.
Der Gesuchte war während der Lichterfeierlichkeiten auf Gravejard erkannt, zur Flucht gedrängt und im Zuge der Verfolgung gestellt worden. Die Ausführung war eine rechtmäßige Handlung im Rahmen des Erlaubten. Die Tat war nicht grausam, nicht unnötig ausgedehnt sowie nicht öffentlich zur Schau gestellt. Sie war zweckgebunden. Das Ziel war gefasst und wurde daran gehindert erneut Schaden zu verursachen.
Diesem Vollzug des Rechts steht – in aller Sachlichkeit – eine Überlegung gegenüber.
Ein toter Pirat begeht kein weiteres Verbrechen. Das ist ein Satz, der in den Häfen der Welt bekannt ist. Er entstammt keinem Hunger nach Blut, sondern dem Gedanken des Schutzes. Wer zur List greift, wer sich Titel aneignet, die ihm nicht zustehen, wer das Vertrauen der Ordnung missbraucht, der hat sich nicht geirrt, er im Rahmen der Vernunftbegabung des Menschen gewählt. Die Konsequenz ist ihm bekannt.
Gleichwohl stellt sich jene alte Frage: Muss erlaubt auch immer vollzogen werden?
Ein Urteil kann gerecht sein und dennoch nachdenklich stimmen. Denn gerade diese Endgültigkeit mag zur Frage führen, ob in jedem Fall nicht auch das Netz gereicht hätte, wo heute das Schwert sprach. Der Pirat R. war kein Mörder, kein Plünderer und auch kein Blutrichter. Er war ein Betrüger, ein Fälscher, gewiss. Und die Höhe seines Kopfgeldes spricht eine klare Sprache. Doch eben diese Klarheit kann auch andere Gedanken wecken. Ist das schnelle Ende ein Zeichen der Stärke oder beginnt an solchen Punkten jene Form von Abstumpfung, die sich nicht im Einzelnen, sondern im Ganzen niederschlägt?
Es wäre falsch in diesem konkreten Fall einen Vorwurf zu suchen. Weder Handlung noch Beweggrund geben Anlass zu Tadel. Die beiden Brüder haben das Gesetz nicht überdehnt; sie haben es erfüllt. Und doch liegt in dieser Erfüllung selbst der Anlass zur Betrachtung: Ist jede Berechtigung zugleich eine Pflicht zur Ausführung?
Zwischen Abschreckung und Verrohung liegt oft nur der Blickwinkel. Wer das Haupt bringt, verhindert weiteres Unrecht. Wer es zu schnell bringt, mag verhindern, dass aus Unrecht etwas Besseres werden kann. In Zeiten, da die Ordnung vielerorts unter Druck steht, mag rasche Klarheit wohltun. Doch wo jede ausgestellte Schuld sogleich mit dem Tod quittiert wird, da könnte sich das öffentliche Empfinden daran gewöhnen, dass ein Haupt allzu rasch zu Boden fällt.
Ihre Taten von damals wiederholend, richtete sie ein regelrechtes Massaker auf einem Handelsschiff an, welches vom Sabaody Archipel nach Goldilocks Island im North Blue unterwegs war. Wie bereits beim letzten Mal, hielt sie sich bedeckt und wickelte die Männer auf dem Schiff um den Finger, ehe sie ihr wahres Gesicht zeigte.
Auf brutalste Art und Weise sicherte sie sich den gehorsam der Männer, bis sie sie nicht mehr gebrauchen konnte und einfach abschlachtete. Die Leichen und das Blut ihrer Opfer waren überall auf dem Schiff verteilt, als es letztendlich im Hafen von Goldilocks Island vor Anker ging und der letzte Überlebende einen Mitarbeiter der Grandline Post aufsuchte, um von ihrer Gräueltat zu berichten. Von Evangeline Suo selbst, fehlte jedoch bereits jede Spur, als der Tatort entdeckt wurde.
Es scheint als würde sie ihre Bluttaten nun noch deutlich gezielter und geplanter ausüben, um ihren Ruf zu stärken und Schrecken zu verbreiten.
Grund für diese Annahme ist die Nachricht, die ihr Bote uns überbrachte und wie folgt lautet:
"Wenn du am Abgrund der Verzweiflung stehst und dich danach sehnst die Kluft zwischen uns zu überwinden, dann komm und finde mich in der Unterwelt."
Ob es sich dabei um eine allgemeine Herausforderung handelt oder etwas anderes hinter der Nachricht steckt, ist bislang jedoch noch unklar.
... Port Sagrada unter dem Schutz der Himmelsdrachenmenschen steht? Und der Angriff daher auch ein Affront gegen die Aristokratie war?
... die wenigstens ausgestoßenen Tenryubito einen wirklichen Hass gegen die Himmelsdrachenmenschen hegen?